Pflanzenfarben, Gelbes Labkraut, Distel

Farben aus Pflanzen
Teil 1

Karin Genitheim

Das Wissen unserer Vorfahren

Mit der Entstehung der Pflanzen vor Millionen von Jahren entwickelte sich auch die Fähigkeit der Tiere, die Farbe Grün zu erkennen. Die grünen Blätter erkannten die Tiere bald als nahrhaftes Futter. Aus archaischer Zeit stammen auch die Signalwirkungen bestimmter Farben: Rot steht für Gefahr, Feuer, Blut, die Farbe Grün für Nahrung, Frische, keine Gefahr.

Farben besitzen also eine starke Symbolkraft. So wundert es uns nicht, dass Menschen zu allen Zeiten eine erstaunliche Energie aufbrachten, Farben in ihr Leben zu holen. Sie haben überall versucht, ihr Leben bunter zu gestalten, ihr Umfeld, gar sich selbst mit Farben zu schmücken und sich mittels Farben mitzuteilen.

Die ältesten, in einer Art Farbnapf aus Meeresmuscheln in einer Höhle in Südafrika gefundenen Farbreste sind 100.000 Jahre alt. Die Felsenbilder der Steinzeit gibt es überall da, wo Menschen waren. Alles, was die Steinzeitmenschen dazu brauchten, war ein Felsen als Hintergrund und ein paar aus Erdfarben, farbigen Gesteinen oder Erzen gewonnene Farbpigmente. Eisenoxide oder Eisenhydroxide ließen die Gesteine rötlich schimmern, für eine gelbliche Tönung sorgten Goethit oder Ton. Braune Töne erhielt man aus Brauneisenerz, schwarze Töne aus Holzkohle.

Man fragt sich, warum die Steinzeitmenschen keine Beeren oder Blumen für buntere Farben verwendet haben. Womöglich sind diese Farben längst verblasst und es kann durchaus sein, dass die Malereien sehr viel bunter waren. Erst in jüngster Zeit konnten pflanzliche Reststoffe an den Höhlenwänden nachgewiesen werden, sie können aber auch von Bindemitteln stammen.

Ebenso universell scheint auch das Bedürfnis der Menschen zu sein, sich mit Farben zu schmücken. Körperbemalung wurde nicht nur benutzt, um sich selbst zu schmücken, sondern mehr noch sich als jemanden zu kennzeichnen, der zu einer bestimmten Gruppe gehört, oder dazu, andere zu erschrecken. In den Schriften über den „Gallischen Krieg“ lesen wir von Pikten (lat.: die Bemalten), einem schottischen Volksstamm, der sich mit Färberwaid ihre Haut blau färbten und so schrecklich aussahen. Julius Cäsar war nicht bekannt, dass diese Pflanze zudem eine stark desinfizierende und wundschließende Wirkung hatte, also ein wichtiger Vorteil im Kampf gegen die Römer. Es wurden verschiedenste Muster und Symbole entwickelt, jede Farbe oder Farbkombination hatte und hat auf Haut und Kleidung eine besondere Bedeutung. Das hat sich bis heute erhalten, denken Sie nur an Fußballclubs, Nationalflaggen oder politische Parteien.

Erdfarben

Pflanzenfarben, Ocker-Pigment

Ocker

Pflanzenfarben, Eisenoxid-Pigment

Eisenoxid schwarz

Pflanzenfarben, Grüne Erde-Pigment

Grüne Erde

Pflanzenfarben, Mumienportrait einer Frau

Auf diesem Mumienportrait wurden beispielsweise Krapp-Spuren gefunden.

Quelle: Digital image courtesy of the Getty’s Open Content Program
Mehr dazu unter: http://www.getty.edu/art/collection/objects/9421/attributed-to-the-isidora-master-mummy-portrait-of-a-woman-romano-egyptian-ad-100/

Rot, Blau und Violett: Krapp und andere Pflanzen

So mancher Zufall, aber auch eifriges Ausprobieren brachte unsere Vorfahren zu der Erkenntnis, dass Pflanzen Farbe abgeben. Bald färbten sie damit Wolle und Leder, zum Beispiel mit den Wurzeln des Krapps.

Bereits weit vor Christi Geburt wurde im heutigen Pakistan mit Krapp rot gefärbt und auch von den alten Ägyptern ist das durch Grabfunde bekannt. Mit Krapp gefärbte Stoffe fand man im Grab des Pharao Tutanchamun und Plinius erzählt uns in seinen Schriften vom planmäßigen Anbau von Krapp im antiken Römischen Reich. Auch in China wurden Krappwurzeln zu ähnlicher Zeit verwendet. Die älteste Anleitung für das Färben mit Krapp zeigt eine neobabylonische Tontafel aus der Zeit um 700 v. Chr. Denn die Herstellung eines Krapprots ist schwieriger als angenommen: Die Wurzeln müssen zunächst sorgfältig gewaschen und hernach vergoren werden.

Je aufwändiger und schwieriger die Herstellung der Farbe, desto wertvoller das gefärbte Tuch. Die Phönizier entdeckten zum Beispiel, dass das Sekret der Purpurschnecke rot färbt. 250 000 Purpurschnecken mussten ihr Leben lassen, um eine einzige römische Toga purpurrot zu färben! So blieb Purpurrot nur den Herrschern vorbehalten. Julius Cäsar erließ sogar ein Verbot, dass außer ihm kein anderer Mensch purpurrote Kleidung tragen dürfe, Nero drohte gar allen, die dieses Gesetz nicht beachteten, mit dem Tod.

Auch das Rot der Kardinäle (Karminrot aus dem Sud der Cochenille-Laus) waren wie das Purpurrot alles andere als Pflanzenfarben. Etwas besser gefällt uns da die Methode des mittelamerikanischen Volkes der Mixteken, die die Schnecke mit einem Grashalm kitzelten und die daraufhin ein Sekret abgab, das den Grundstoff des Purpurs bildete.

Wiederum bei Plinius kann man erfahren, dass römische Gewänder mit Lackmusflechte, Färberwau und Safran gefärbt wurden und dass die Pflanzenfarben auch zum Malen benutzt wurden. Im Archäologischen Museum in Frankfurt kann ein römisches „Malergrab“ bestaunt werden. Dem toten Künstler wurden 29 (!) Farbtöpfe mit Inhalt ins Grab gelegt.

Die Farbe Blau erzielten die römischen Künstler mit der Indigopflanze, Stoffe und Wolle färbte man eher mit Färberwaid blau, das günstiger zu bekommen war. Schwarz erhielt man mit Galläpfeln und Eisensalz. Auch Rinden von Bäumen wurden zum Färben benutzt. Von den Germanen erfuhren die Römer, dass man auch mit manchen Früchten färben könne. Die Gallier wussten bereits, dass Violett mit schwarzen Johannisbeeren, Wacholderbeeren und Heidelbeeren erzeugt werden konnte.

So entstanden rund um die Welt die unterschiedlichsten Farbrezepte.

Mehr im Beitrag in 2 Wochen.